Schwarz-Weiß : Anläßlich des Bandes „Corto Maltese: Venezianische Legende“

Als die Corto Maltese-Neuedition bei Schreiber & Leser angekündigt wurde, habe ich gleich subskribiert und mich für die sogenannte „Klassik Edition“ entschieden. Im Unterschied zur in durchaus schönen Wasserfarben eingefärbten Standardausgabe veröffentlicht die „Klassik Edition“ die Abenteuer Corto Malteses in puristischem Schwarz-Weiß. Anfangs hatte ich mich bei der Lektüre jeden neuen Bandes gefragt, ob diese Entscheidung wirklich die richtige war, ob nicht die kolorierte Ausgabe die eigentlich lesenswerte sei, zumal ja auch fast das komplette Corto Maltese-Werk Hugo Pratts bereits im Carlsen Verlag in schwarz-weiß-Alben veröffentlicht wurde. Was also ist das Aufregende an dieser Ausgabe?

Seit den Bänden In Sibirien und Venezianische Legende bin ich nun ganz sicher: Corto Maltese bei Schreiber & Leser in Schwarz-Weiß ist „Pratt at his very best“. Legt man die alten Carlsen-Alben neben die neue Schreiber & Leser-Ausgabe, so wird ein Unterschied ganz schnell deutlich: die Druckqualität der neuen Ausgabe ist denen der Carlsen-Alben wirklich meilenweit überlegen. Viele Details in Pratts Zeichnungen werden buchstäblich jetzt überhaupt erst sichtbar. Und von genau diesen Details wiederum lenkt die Kolorierung in der Standard-Ausgabe bei Schreiber & Leser zu stark ab. Ganz abgesehen davon sind Neumontagen und sonstige Veränderungen an Pratts Originalseiten in der kolorierten Standardausgabe auch nicht gerade dazu angetan, Appetit auf mehr zu machen.

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Eine Seite aus dem Band „Venezianische Legende“

 

Nein, ich bin sehr froh über die Klassik-Edition. Natürlich wussten wir immer, dass Hugo Pratt einer der ganz großen Comic-Künstler und -Erzähler ist (geahnt hatten wir es bereits 1974, als die ersten Seiten der Südseeballade in ZACK erschien). Aber erst in dieser Ausgabe kommt seine Kunst ungeschmälert zum Ausdruck. Für mich gibt es vier ganz große Künstler des schwarz-weißen Comic: Alex Toth, Milton Cannif, Frank Robbins und eben Hugo Pratt. Keinem von ihnen hat es gut getan, wenn seine Seiten koloriert wurden (oder auch er selbst für die Einfärbung verantwortlich war). Schatten sind vielleicht grau, aber nie farbig – und die Kunst dieser Vier liegt in der Fähigkeit, Schatten lebendig werden zu lassen.


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Hugo Pratt. Venezianische Legende (Corto Maltese Klassik Edition). 128 S., gebunden. Schreiber & Leser, 978-3946337300, € 24,80